

Am 25. und 26. Januar 2017 fand in Berlin der 2. Gesellschaftspolitische Kongress der GPM „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Konferenzzentrum des Ministeriums statt. Partner des Kongresses waren: die Bundesakademie für die Öffentliche Verwaltung (BAKöV), die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), die Initiative D21, der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutscher Landkreistag, das Deutsches Institut für Normung (DIN) sowie die International Project Management Association (IPMA). Über 250 Entscheider aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft waren der Einladung der GPM und ihrer Partner gefolgt.
Bereits auf ihrem 1. Gesellschaftspolitischen Kongress „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ im Januar 2015 initiierte die GPM – im Rahmen ihres gesellschaftlichen Engagements als gemeinnütziger Verein – eine gesellschaftspolitische Debatte: Welchen Beitrag kann Projektmanagement für die Zukunft des Standorts Deutschland leisten? Was ist zu tun, dass dieses Land zu einem Land der erfolgreichen Projekte wird?
Seitdem wurde dieser Dialog mit Politik und Verwaltung in zahlreichen Diskussionsforen weitergeführt, u.a. in der Reformkommission „Großprojekte“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, auf den Zukunftskongressen „Staat und Verwaltung“ sowie auf dem Zukunftskongress „Migration & Integration“. Als Ergebnis dieses Dialogs hat die GPM ein Aktionsprogramm 2020 „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ als Diskussionsgrundlage für diesen Kongress vorgelegt. Darin finden sich Empfehlungen an die Bundesregierung sowie an die Länder und Kommunen, durch die das Ziel einer substanziellen Verbesserung der Performance öffentlicher Projekte erreicht werden soll. Diese Empfehlungen werden ergänzt um konkrete Maßnahmen, mit denen die GPM – gemeinsam mit ihren Partnern – einen Beitrag leisten will.
Die Probleme öffentlicher Projekte, wie dem Flughafenprojekt BER oder Stuttgart21, werden in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch diskutiert. Bürger zweifeln an der Fähigkeit von Staat und Verwaltung, die Zukunft des Landes zu gestalten und politische Ziele nicht nur zu formulieren, sondern auch umzusetzen. Im Wahljahr 2017 stellen sich die Fragen noch klarer: Wie kann das Vertrauen der Bürger in ihren Staat durch gemeinsame erfolgreiche Zukunftsprojekte wieder hergestellt werden? Wie können Politik und Verwaltung mit der Komplexität der politischen Herausforderungen Schritt halten und neue Gestaltungskompetenz gewinnen?
Projektmanager sehen die Probleme und Risiken, doch sie bleiben nicht dabei stehen. Wichtig sind positive Beispiele, die zeigen, wie die Governance großer und komplexer öffentlicher Projekte erfolgreich gestaltet werden kann. Deshalb begann der Kongress mit der Keynote des Projektmanagers Detlef Obieray, der die Erfahrungen seines Projekts „Feste Fahrbahn im Gotthard-Basistunnel“ präsentierte. Dieses gelungene, große und komplexe öffentliche Projekt wurde 2016 von der GPM mit dem Project Excellence Award ausgezeichnet.
Die internationale Perspektive wurde in einer Keynote des IPMA Präsidenten in die Diskussion eingebracht. Deutschland steht mit seinen Problemen bei öffentlichen Großprojekten nicht allein. Länder wie die USA, Großbritannien oder Norwegen haben bereits seit Jahren Konsequenzen daraus gezogen und arbeiten mit hoher Priorität an der Entwicklung ihrer Projektmanagement-Kompetenzen.
In Deutschland haben einige Ressorts der Bundesregierung bereits erste politische Initiativen ergriffen: So das Bundesministerium für Verteidigung mit seiner „Agenda  Rüstung“, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit seiner Reformkommission „Bau von Großprojekten“ sowie das Bundesministerium für Umwelt und Bauen mit seinem Konzept „Reform Bundesbau“. Das Bundesministerium des Innern hat mit seiner SOS-Methode und einem Kompetenzzentrum für IT-Großprojekte im Bundesverwaltungsamt ein wichtiges Angebot für alle Ressorts entwickelt. Mit ihnen und dem Bundesrechnungshof wurden im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Erfolgsfaktoren für öffentliche Großprojekte erörtert, – wie etwa die klare Definition von Verantwortlichkeiten, Anreizmodelle für Kooperation bei Projektvergaben und -verträgen oder die Förderung einer  Risiko- und Transparenzkultur.
 
In einer Einführung der GPM wurden die neuen Herausforderungen und die Weiterentwicklung des Projektmanagements dargestellt: In den letzten Jahren hat sich nicht nur die Bedeutung von Projekten erhöht, sondern auch  deren Komplexität durch den Digitalen Wandel, die zunehmende Vernetzung, Beschleunigung und Unsicherheit in vielen Bereichen. Projektmanagement hat sich  weiterentwickelt: von einem Werkzeugkasten für Projekte hin zu einem Führungsinstrument für Innovation und Wandel  sowie für den Umgang mit Komplexität und Unsicherheit. Grundlage bleibt der elementare Werkzeugkasten des Projektmanagers: ganzheitliche Problemanalyse und strukturierte Zielklärung, Analyse der Stakeholder und der Projektrisiken , Entwicklung einer Projektstrategie auf der Grundlage eines Standard-Projektmodells, Strukturierung von Aufgaben und Meilensteinen, strukturierte Planung der Ergebnisse, Termine und Kosten, Risikomanagement, Projektsteuerung, Projektcontrolling und Änderungsmanagement – und das alles auf der Grundlage von Standards. Als zunehmend wichtig erkannt wurde der Faktor Mensch: Kommunikation,  Zusammenarbeit, Führung und Teamkultur. Die Kommunikation mit den Stakeholdern wurde zur Königsdisziplin des Projektmanagements. Im Rahmen der Keynote der Freien und Hansestadt Hamburg wurde am Beispiel der Elbphilharmonie verdeutlicht, dass die einseitige Fixierung von Projektmanagern und Auftraggebern auf das leicht Messbare, nämlich Kosten und Termine, am Wesentlichen eines Projekts vorbei geht: Nutzen für die Stakeholder zu schaffen und dadurch deren Zustimmung zu gewinnen und zu erhalten.
Jüngeren Datums ist das strategische oder auch Multi-Projektmanagement, d.h. das Management der Gesamtheit aller Projekte, Programme und Portfolios, die zum Erreichen strategischer Ziele einer Organisation oder politischer Ziele einer Regierung beitragen. Nur auf der Grundlage einer Transparenz der Projektlandschaft können strategische Prioritäten entschieden und durchgesetzt werden. (Der Aufbau eines Projektmanagement Offices (PMO) ist dazu ein wesentliches Führungsinstrument – hierzu gab es ein Dialogforum mit erfahrenen PMO-Managern).
Erst in den letzten Jahren ist die Projektgovernance als wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Projektmanagement ins Zentrum der Diskussion gerückt: Einbettung der Projekte in die Auftraggeber-Organisationen, Rollen und Verantwortlichkeiten der Führungskräfte für die Projekte, transparente und angemessene Verantwortungsstrukturen als Rahmen für erfolgreiches Projektmanagement. Hier liegt der Schlüssel für erfolgreiche Reformen. Dabei spielen Kompetenzzentren, welche die dazu erforderliche organisationale Kompetenz aufbauen und in der Organisation geeignete Standards und Richtlinien einführen – auch hierzu gab es ein Dialogforum – eine wesentliche Rolle. Neben Strukturen und Kompetenzen braucht es auch eine Organisationskultur der Transparenz und der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit: „Alle für eine gemeinsame Sache“ statt wie bisher „Jeder an seinem Platz“. Auch über diese Erfolgsfaktoren wurde in der Podiumsdiskussion des 1. Tages diskutiert und diese im Dialogforum “Werte und Organisationskulturen“ vertieft.
Standards für das Management und die Governance von Projekten, Programmen und Portfolios haben eine große Bedeutung für eine effiziente Gestaltung der Kommunikation und Zusammenarbeit der Projektbeteiligten. In seiner Keynote hat Christoph Winterhalter – Vorsitzender des Vorstandes, Deutsches Institut für  Normung e.V. (DIN) – „Management- und Governance-Standards als Standortfaktor“ in die Diskussion gebracht. In einem nachfolgenden Dialogforum „Wer die Standards setzt, hat den Markt“ wurde die Frage nach dem Nutzen von Standards für Projekte und Möglichkeiten,  ihrer Mitgestaltung für Projektwirtschaft und Verwaltung  und die Bedeutung einer modernen Projektmanagement-Forschung diskutiert.
 
Die Einführung von Projektmanagement als Führungsinstrument bedeutet einen tiefgreifenden Wandel in der Verwaltung. Klar ist, dass dies ohne die Unterstützung der Politik nicht möglich ist. Zwischen Entscheidern und Projektmanagern bestehen vielfach noch erhebliche Kommunikationsdefizite. Ohne eine gemeinsame Sprache und enge Abstimmung, ohne Integration der Politikwelt mit der Projektwelt kann die Umsetzung von Politik nicht gelingen.
Die digitale Agenda ist ein strategisches politisches Programm der Bundesregierung. Brigitte Zypries, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Schirmherrin des Kongresses, stellte im Rahmen ihrer Keynote die „Digitale Strategie 2025“ des Bundesministers für Wirtschaft und Energie vor und hob dabei die Bedeutung von Projektmanagement für die Umsetzung dieser Strategie hervor: „Öffentliche Projekte brauchen ein professionelles Projektmanagement. Das ist für die gesellschaftliche Akzeptanz und Gestaltungsfähigkeit unverzichtbar. Modernes Projektmanagement stellt sicher, dass öffentliche Projekte ihre Ziele erreichen und im Kosten- und Zeitrahmen bleiben. Teil des Managements politischer Großprojekte, wie zum Beispiel die Digitale Agenda, muss außerdem die Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen sein. Nur so laufen die Prozesse offen und transparent.“


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Norman Heydenreich bringt Erfahrung aus 30-jähriger Managementpraxis in die von ihm gegründete Management Akademie Weimar ein. Ehrenamtlich engagiert er sich als Obmann des DIN-Ausschuss Projektmanagement und Projektleiter der ISO Study Group Agile. 2013-2017 vertrat er als Hauptstadtrepräsentant die gesellschaftlichen Interessen der GPM und initiierte das Aktionsprogramm „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“, in dessen Beirat er sich weiter engagiert. 2020-2021 übernahm er ehrenamtlich die Funktion „Bevollmächtigter Normen und Standards“.
n.heydenreich@gpm-ipma.de
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