
Projektleitung zu sein bedeutet mehr, als nur ein Projektziel zu erreichen. Man muss den Überblick über unzählige Einzelteile behalten: Aufgaben verteilen, Timings kontrollieren, Abstimmungen führen – und man muss mitdenken. Wer Projekte steuert, jongliert nicht nur mit To-do-Listen, Meilensteinen und Ressourcen, sondern trägt auch gleichzeitig die Verantwortung dafür, dass nichts Wichtiges vergessen wird. Diese unsichtbare Denkarbeit, die gedankliche Dauerpräsenz im Projekt, nennt man Mental Load.
Im Projektalltag äußert sich das zum Beispiel so: Während das Projektteam sich auf die nächste konkrete Aufgabe konzentriert, ist die Projektleitung oft schon zwei Schritte weiter. Wer muss vor dem nächsten Workshop noch gebrieft werden? Fehlt irgendwo ein Abstimmungsprotokoll? Passt die externe Kommunikation zur aktuellen internen Lage? Das alles läuft im Kopf der Projektverantwortlichen – oft nebenbei, oft unbeachtet.
Der Begriff „Mental Load“ beschreibt die kontinuierliche kognitive Arbeit, die notwendig ist, damit ein Projekt reibungslos läuft – auch wenn sie nirgendwo im Projektstrukturplan steht. Im Kontext von Projektmanagement umfasst das unter anderem:
Diese zusätzliche mentale Last wird selten offiziell benannt – und genauso selten geplant. Besonders in dynamischen Projektumgebungen, agilen Setups oder bei flachen Hierarchien verteilt sich Verantwortung oft „zwischen den Zeilen“. Das führt dazu, dass sich Mental Load unbemerkt auf einzelne Schultern konzentriert – meistens aber auf die der Projektleitung.
Mental Load im Projektmanagement ist kein Randthema – und kein individuelles Versagen. Vielmehr handelt es sich um eine strukturelle Herausforderung, die schnell zum Risiko für das gesamte Projekt werden kann. Denn: Wer dauerhaft zu viele offene mentale Schleifen im Kopf hat, verliert nicht nur Energie, sondern auch Fokus. Kreatives Denken, strategische Entscheidungen und effektive Führung werden schwieriger, wenn der Kopf ständig mit „unsichtbarer Projektarbeit“ beschäftigt ist. Das kann zu Frustration, Fehlentscheidungen, sinkender Motivation und im schlimmsten Fall zu einem Projektabbruch führen.
Wenn Projektverantwortliche dauerhaft überlastet sind, macht sich das nicht nur im Kalender bemerkbar. Auch folgende Signale deuten auf eine zu hohe mentale Belastung hin:
Mental Load zeigt sich also nicht nur in Überstunden oder Task-Overload – sondern vor allem dort, wo mentale Energie für Dinge aufgebracht wird, die keine klare Heimat im Projektplan haben.
In vielen Projekten entstehen Unsicherheiten, weil Rollen nicht sauber abgegrenzt sind. Wer ist wirklich für was zuständig? Was bedeutet „Verantwortung übernehmen“ im konkreten Fall? Aufgabenverteilung sollte nicht nur im Tool dokumentiert sein, sondern im Team regelmäßig reflektiert werden. Erwartungsklärung reduziert mentalen Druck – auf allen Seiten.
Je unklarer der Projektalltag, desto mehr mentale Energie fließt in spontane Abstimmungen. Wiederkehrende Meetings mit klarer Agenda, strukturierte Tages- oder Wochenstarts, transparente Kanban-Boards und feste Feedback-Zyklen helfen, das Projektgeschehen aus dem Kopf in einen verlässlichen Rhythmus zu überführen. Routinen senken den Stresspegel – und schaffen Raum für wirklich wichtige Entscheidungen.
Viele Projektleitende behalten Aufgaben, weil sie schneller, besser oder sicherer erscheinen. Das Problem: Damit steigt nicht nur die Arbeitslast, sondern vor allem der gedankliche Druck. Erfolgreiche Delegation bedeutet, Verantwortung mit Vertrauen zu verbinden – inklusive Fehlerkultur. Wer Aufgaben wirklich loslassen kann, reduziert die mentale Last spürbar.
Ständige Erreichbarkeit ist kein Zeichen von Engagement, sondern von mangelnder Abgrenzung. Projektverantwortliche dürfen und müssen Schutzräume schaffen: Keine Projektkommunikation nach 18 Uhr, keine stillschweigenden Wochenendarbeiten, keine neuen Aufgaben ohne Klärung der Ressourcen. Wer klar kommuniziert, was wann nicht geht, schützt nicht nur sich, sondern das gesamte Team vor Überlastung.
Mentale Belastung bleibt unsichtbar, solange sie nicht angesprochen wird. Deshalb: Sprechen Sie in Retrospektiven, Dailys oder One-on-Ones gezielt über kognitive Belastungen. Was macht gerade „am meisten Kopf“? Was könnte entlasten? Ein niedrigschwelliger Umgang mit Mental Load fördert psychologische Sicherheit – und beugt Burnout vor.
Mental Load im Projektmanagement ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck hoher Verantwortung. Wer langfristig Projekte erfolgreich führen will, muss nicht alles im Kopf haben – sondern die richtigen Strukturen schaffen, um genau das zu vermeiden.
Keine Kommentare
Katja Bäumel ist als PR-Managerin mit den Schwerpunkten „Online- und Bewegtbildredaktion“ bei der GPM tätig. Zuvor war sie, neben diversen Auslandsaufenthalten, als Projektleiterin für die Online-Redaktion von unternehmer.de sowie für Projekte bei der Volkswagen AG, der Deutschen Bank AG und Russell Hobbs verantwortlich.
k.baeumel@gpm-ipma.de
Kommentare