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Je digitaler das Projektmanagement, desto wichtiger ist der Mensch

Die fortschreitende digitale Transformation, angetrieben durch künstliche Intelligenz (KI), stellt das Projektmanagement vor tiefgreifende Herausforderungen.

Während viele bei „digitalen Kompetenzen“ primär an Tools und Algorithmen denken, liefert eine aktuelle Forschungsarbeit ein überraschendes und klares Ergebnis: „Je digitaler alles wird, desto wichtiger ist das „Nicht-Digitale, also der Mensch in dem Fall“. Der Erfolg dieser Transformation hängt maßgeblich von den Menschen ab, die sie gestalten.

Auszeichnung in der Kategorie „Dissertation“

Für ihre herausragende Dissertation mit dem Titel „Digital Literacy im Projektmanagement – Entwicklung eines Kompetenzstrukturmodells für das digital strukturierte Projektmanagement“ wurde Dr. Jessica Nagel mit dem Deutschen Studienpreis Projektmanagement (DSPM) 2025 der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. ausgezeichnet. Die Arbeit, die aus Nagels eigener Erfahrung im Projektmanagement entstand und die Veränderungen durch die digitale Transformation und KI beleuchtet, liefert ein empirisch fundiertes Kompetenzstrukturmodell. 

Vertrauen, Kommunikation, Motivation: Die neuen Schlüsselfaktoren

Die zentralen Erkenntnisse der Forschung zeigen, dass Projektmanager durch die digitale Transformation nicht ersetzt, sondern umso wichtiger werden. Im Fokus stehen demnach die sozialen und kognitiven Fähigkeiten. Dr. Nagel identifiziert Vertrauen, Kommunikation und Motivation als die drei wichtigsten Aufgaben eines Projektmanagers. Insbesondere die Herstellung von Vertrauen in digitalen Teams ist schwierig, da die zwischenmenschliche Ebene schnell verloren geht, wenn informelle Treffen wie das „Kaffeetrinken“ fehlen. Es ist die wichtigste Aufgabe des Projektmanagers, dieses Vertrauen im Team herzustellen und in Zeiten von KI auch das Vertrauen in die KI zu fördern. 

Das entwickelte Modell verknüpft sieben Dimensionen der Digital Literacy mit zehn beruflichen Handlungsfeldern und belegt, dass die digitale Transformation eine Verschiebung der Gewichtung bestehender Kompetenzen zur Folge hat. Fähigkeiten wie die situationsgerechte Entscheidung zwischen digitalen und analogen Methoden sowie der souveräne Umgang mit der Informationsflut gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Jury lobt empirische Tiefe und praktischen Mehrwert

In der Laudatio von Prof. Dr. Christoph Laroque zur Dissertation hob die Jury die hohe Relevanz und wissenschaftliche Qualität der Arbeit hervor: Die Dissertation von Dr. Jessica Nagel „entwickelt in Zeiten des ubiquitären Charakters der digitalen Transformation ein empirisch fundiertes Kompetenzstrukturmodell für das IT-gestützte Projektmanagement“. Die durchgeführten Untersuchungen zeigten, „dass sich durch die Digitalisierung vor allem die Gewichtung bestehender Kompetenzen verschiebt“. 

Demnach erfahren die digitale Kommunikation, Führung in virtuellen Umgebungen, der Umgang mit der vorhandenen Informationsflut und die technische Tool-Nutzung eine steigende Bedeutung. Das entwickelte Kompetenzstrukturmodell liefere „konkrete Handlungsempfehlungen für Weiterbildung im Bereich des Projektmanagements sowie die Curriculums-Entwicklung in entsprechenden Modulen und Studienprogrammen und trägt somit zur weiteren Professionalisierung eines digital gestützten Projektmanagements bei“. 

Die Ergebnisse finden bereits praktische Anwendung, da die Verfasserin auf Basis des Modells Seminare für die GPM entwickelt, welche digitale Kompetenzen gezielt fördern. Zudem profitieren Unternehmen von „konkreten Ableitungen für Rollenprofile sowie strategisches Kompetenzmanagement“.

Interview mit Dr. Jessica Nagel

Frage: Was bedeutet es für Sie, den Deutschen Studienpreis Projektmanagement zu gewinnen?

Antwort: Es ist eine enorme Ehre für mich. Ich habe an einer Universität eine sehr praxisorientierte Arbeit geschrieben und war damit eher eine Ausnahme. Der Preis zeigt mir, dass die Arbeit tatsächlich einen praktischen Mehrwert hat.

Frage: Was war das Thema Ihrer Arbeit und warum haben Sie ausgerechnet dieses Thema gewählt?

Antwort: Es ging um digitale Kompetenzen im Projektmanagement. Ich komme selbst aus dem Projektmanagement und habe in den vergangenen Jahren stark wahrgenommen, wie sich dieses Feld durch die digitale Transformation verändert hat. Mit der Künstlichen Intelligenz verstärken sich diese Veränderungen noch einmal deutlich. Da ich selbst unmittelbar mit diesen Entwicklungen konfrontiert war, fand ich es besonders spannend, in diesem Bereich zu forschen.

Frage: Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an Ihrem Thema und Ihrer Forschungsarbeit?

Antwort: Wenn man über digitale Kompetenzen spricht, denken viele zuerst an Tools oder an KI. Meine Arbeit zeigt jedoch, dass mit zunehmender Digitalisierung gerade das Nicht-Digitale wichtiger wird – also der Mensch. Die drei zentralen Punkte waren Vertrauen, Kommunikation und Motivation als Kernaufgaben eines Projektmanagers. Es war schön zu sehen, dass Projektmanager durch die digitale Transformation keineswegs ersetzt werden, sondern im Gegenteil an Bedeutung gewinnen.

Frage: Sie haben die zentralen Erkenntnisse bereits erwähnt. Können Sie die zwei bis drei wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammenfassen?

Antwort: Die wichtigste Erkenntnis war das Thema Vertrauen. Vertrauen in digitalen Teams ist besonders herausfordernd, weil die zwischenmenschliche Ebene schnell verloren geht, wenn man sich nicht einfach auf einen Kaffee treffen kann. Deshalb ist es die zentrale Aufgabe eines Projektmanagers, dieses Vertrauen aufzubauen. In Zeiten von KI gehört dazu auch, Vertrauen in den Einsatz von KI zu vermitteln. Darin sehe ich tatsächlich die Hauptaufgabe.

Frage: Wo lagen die Herausforderungen bei Ihrer Arbeit – methodisch oder grundsätzlich?

Antwort: Die größte Herausforderung war, dass ich die Promotion nebenberuflich gemacht habe. Ich hatte also nur an Wochenenden oder außerhalb der regulären Arbeitszeit Zeit dafür. Zudem habe ich nicht vor Ort an der Universität gearbeitet, sodass die Abstimmung unweigerlich immer „zwischen den Türen“ stattfinden musste. Methodisch hatte ich zunächst erwartet, dass es schwierig sein würde, Experten zu finden. Tatsächlich war es aber anspruchsvoller, aus der Vielzahl an Experten, die bereit waren mitzumachen, die passenden auszuwählen und anderen abzusagen, bei denen es zeitlich nicht passte.

Frage: Was begeistert Sie grundsätzlich am Projektmanagement?

Antwort: Kurz gesagt: alles. Jeder Tag ist anders, jedes Projekt ist anders, jedes Team ist anders. Man lernt ständig etwas Neues – und das fasziniert mich.

Frage: Was machen Sie aktuell beruflich, und wohin möchten Sie sich langfristig entwickeln?

Antwort: Ich bin gerade aus der Elternzeit zurückgekehrt. Ich war lange im Projektmanagement tätig, habe jetzt aber gewechselt und bin intern für die Weiterentwicklung unseres KI-Produkts zuständig. Langfristig sehe ich mich eher im Produktmanagement. Es soll in unserem Unternehmen ein eigener Geschäftsbereich entstehen – und meine Aufgabe ist es, diesen aufzubauen.

Frage: Welche langfristigen Pläne haben Sie zum Thema Projektmanagement – in Forschung, Projekten oder eigenen Produkten?

Antwort: Ich möchte künftig verstärkt in Projekte gehen. Die Forschungsarbeit ist für mich mit der Dissertation weitgehend abgeschlossen. Ich möchte zunehmend eigene Projekte durchführen, gerne auch mit Unterstützung durch KI, und mich in diesem Bereich weiterentwickeln.

Mehr über den Deutschen Studienpreis Projektmanagement (DSPM) erfahren Sie hier

Die Preisverleihung zum “Deutschen Studienpreis Projektmanagement” finden Sie hier

Ansprechpartner

Sebastian Wieschowski