
Professionelles Projektmanagement entscheidet oft über den Erfolg oder Misserfolg eines Vorhabens. Doch wie lassen sich die dafür nötigen Kompetenzen wirksam entwickeln? Lehrbücher und Vorträge/ Vorlesungen vermitteln wichtiges Grundlagenwissen, das jedoch selten ausreicht, um die komplexe Projektrealität ganzheitlich zu erfassen. Das „Learning by Doing“ in realen Projekten ist wertvoll, birgt jedoch das Risiko, echte Fehler mit inakzeptablen Folgen zu machen und ist stark von den individuellen Erfahrungsgelegenheiten abhängig. Dazwischen gibt es eine wertvolle Methode, die Theorie und Praxis sinnvoll verbindet: Projektmanagement-Planspiele.
Planspiele schaffen einen geschützten Raum, in dem Projektmanagement realitätsnah, praxisorientiert und interaktiv erlebt werden kann. Teilnehmende übernehmen aktive Rollen, treffen Entscheidungen, erfahren die Auswirkungen ihres Handelns und reflektieren die Ergebnisse gemeinsam. So wird Projektmanagement nicht nur kognitiv verstanden, sondern auch praktisch erprobt und emotional verankert.
Ein Planspiel ist eine didaktisch strukturierte Simulation, in der reale Situationen vereinfacht, aber realitätsnah abgebildet werden. Die Teilnehmenden agieren innerhalb eines Szenarios, das typische Herausforderungen aus dem Projektalltag enthält. Diese reichen von knappen Ressourcen und widersprüchlichen Erwartungen der Stakeholder über Zeitdruck und Änderungsanforderungen bis hin zu Gruppendynamiken und Konflikten.
Im Gegensatz zu klassischen (meist theoretischen) Fallstudien lebt das Planspiel vom aktiven Handeln. Die Spielenden treffen Entscheidungen unter Unsicherheit, interagieren miteinander, reagieren auf neue Ereignisse und erleben die Konsequenzen ihrer Strategie. Der Lernprozess entsteht nicht nur durch das Ergebnis, sondern vor allem durch die Diskussion über das eigene Vorgehen, die Auseinandersetzung mit anderen Perspektiven und die Reflexion im Anschluss an das Spiel.
Ein einfaches Beispiel: In einem Planspiel sollen Teams einen Freizeitpark planen und betreiben. Dabei müssen sie begrenzte Ressourcen zwischen Bau, Personal und Marketing aufteilen, Stakeholderanforderungen gewichten, Risiken antizipieren und auf unvorhergesehene Ereignisse wie Lieferverzögerungen oder Wetterumschwünge reagieren. Die Entscheidungen wirken sich unmittelbar auf Projektkosten, Eröffnung des Parks und damit den Einnahmen, aber während der Projektzeit auch auf die Teamdynamik und Stakeholderzufriedenheit aus, genau wie in echten Projekten.
Planspiele fördern weit mehr als reines Methodenwissen. Sie sprechen verschiedene Ebenen des Lernens an und ermöglichen damit eine besonders nachhaltige Kompetenzentwicklung. Neben dem Verstehen von Prozessen und Tools trainieren sie vor allem die Fähigkeit, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen, mit anderen im Team zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und Verantwortung zu übernehmen.
Besonders wirksam sind Planspiele, weil sie die Möglichkeit bieten, Fehler zu machen und daraus zu lernen, ohne dass reale Schäden entstehen. Gerade in komplexen Projektsituationen ist die Fähigkeit zur Reflexion und Anpassung zentral. Planspiele laden dazu ein, verschiedene Strategien auszuprobieren, Risiken einzugehen, unterschiedliche Rollen zu erleben und die Folgen im geschützten Raum zu analysieren. Der spielerische Charakter sorgt zusätzlich für Motivation und fördert die aktive Beteiligung aller.
Planspiel ist nicht gleich Planspiel. Das Spektrum reicht von haptischen Brettspielen über interaktive Gruppenaufgaben bis hin zu digitalen Simulationen, die über mehrere Stunden oder sogar Tage laufen können. Manche Spiele arbeiten mit physischen Materialien wie Lego® oder Karten, andere setzen auf komplexe Softwarelösungen mit Echtzeitdaten und detaillierten Projektverläufen.
Es gibt Planspiele, bei denen einzelne Personen Aufgaben erfüllen und dabei individuelles Feedback erhalten. Andere Formate setzen auf Teams, die in Konkurrenz zueinanderstehen und sich in ihrer Projektstrategie messen. Manche Spiele orientieren sich am klassischen Projektmanagement mit klaren Phasen und festen Abläufen, andere bilden agile Ansätze mit iterativen Sprints, schnellen Rückkopplungen und flexiblen Rollen ab.
So unterschiedlich die Formate sind, so vielfältig sind auch die Zielgruppen: Studierende lernen in Planspielen den praktischen Umgang mit PM-Methoden. Projektteams nutzen sie zur Teamentwicklung oder zur Reflexion gemeinsamer Arbeitsweisen. Führungskräfte testen ihre Entscheidungsfähigkeit in komplexen Lagen. In Unternehmen kommen Planspiele bei der Einführung neuer Methoden oder im Rahmen von Change-Prozessen zum Einsatz.
Planspiele sind weit mehr als eine spielerische Abwechslung im Seminar. Sie sind ein methodisch fundiertes, wissenschaftlich evaluiertes Instrument zur Entwicklung von Kompetenzen im Projektmanagement. Durch die Kombination aus Simulation, Interaktion und Reflexion lassen sich sowohl fachliche als auch soziale und persönliche Fähigkeiten gezielt trainieren. Wer Projektmanagement nicht nur erklären, sondern erlebbar machen will, findet im Planspiel ein wirkungsvolles Mittel.
In den folgenden Teilen dieser Artikelserie stellen wir konkrete Planspiele vor. Wir zeigen, welche Formate es gibt, wie sie in der Praxis funktionieren, für welche Zielgruppen sie geeignet sind und welche Lernziele sich damit besonders gut erreichen lassen.
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Prof. Dr. Siegfried Zürn, Professor für Operations Management und Direktor International Centre and Graduate School der Hochschule Esslingen mit Schwerpunkten Qualitäts-, Lean- und Projektmanagement, Planspielentwickler.
Siegfried.Zuern@hs-esslingen.deClaudia Stöhler ist Lehrbeauftragte an Hochschulen in Ulm, Augsburg, München, und freiberufliche Beraterin für Logistik und Projektcoach und GPM Fachgruppenleitung PM an Hochschulen.
info@stoehler.eu
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