Der Duft von frischem Popcorn liegt in der Luft, während die Besucher ihre Eintrittskarten an der Kasse abreißen lassen. Gedämpftes Licht füllt den Raum, sanft beleuchten blau und gelb gefärbte Scheinwerfer die Wände und schaffen eine Atmosphäre, die an die vertraute Dunkelheit eines Kinos erinnert. Leise Gespräche und erwartungsvolle Blicke fliegen hin und her. Doch dann wird klar: Eine Leinwand sucht man hier vergeblich, ebenso die Reihen aus Kinosesseln. Denn dies ist kein Kino, sondern ein Büro – umgestaltet und dekoriert, um den Charme und die Magie des Films in ein ungewöhnliches Ambiente zu bringen.
Mitten im Herzen Berlins, direkt an der pulsierenden Friedrichstraße, fand in der Hauptstadtrepräsentanz der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement am 6. November 2024 der „PM Salon“ statt - eine Event-Reihe, die sich nach früheren Themenabenden zu gesellschaftlich bedeutsamen Themen wie Wohnungsbau, der Tafel in Deutschland und der Schuldenbremse nun der Verbindung von Film und Projektmanagement widmete: Zwei Welten, die auf den ersten Blick wohl kaum zusammenpassen, aber bei näherer Betrachtung überraschend viele Gemeinsamkeiten zeigen. Neben Gäste aus dem politischen Berlin folgten auch Vertreter aus der Kreativwirtschaft sowie Medienanwälte der Einladung.
René Mittelstädt, Sprecher für Public Affairs bei der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, eröffnete die Veranstaltung und hob die Wichtigkeit hervor, Projektmanagement als universelle Methode sichtbar zu machen. Für ihn ist ein Filmprojekt das ideale Beispiel für strukturiertes Projektmanagement, denn es folgt einem klaren Ablauf von der Idee bis zur Fertigstellung. Dabei betonte er, dass GPM den methodischen Aspekt über das eigentliche Projekt stellt, um die transformative Kraft des Projektmanagements in verschiedenen Sektoren zu verdeutlichen.
Prof. Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM, ergänzte diese Überlegungen und wies darauf hin, dass die GPM als Verband das Ziel verfolgt, Projektmanagement als Kernkompetenz zu etablieren. Er betonte die Rolle der GPM als „Lobbyisten einer Methode“, die mit Erfolg verschiedene Branchen und Projektbeteiligte zusammenbringt und sie im Umgang mit Projektmanagement unterstützt.
Björn Böning, Hauptgeschäftsführer der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen, eröffnete seinen Beitrag, indem er die Rolle von Projektmanagement im Film- und Fernsehbereich hervorhob. Projektmanagement sei in der Filmproduktion nicht nur ein notwendiges Werkzeug, sondern fest in die DNA der Branche integriert. Seit den ersten Tagen des bewegten Bildes habe das Management komplexer, zeitlich und budgetmäßig begrenzter Projekte zum Wesen der Filmindustrie gehört. Böning betonte, dass die Planung und Koordination eines Filmprojekts von der Konzeption bis zur Auswertung ein kontinuierlicher, stark strukturierter Prozess ist, der trotz kreativer Herausforderungen von technischer Präzision geprägt ist.
In seiner Erläuterung zum Markt stellte Böning dar, dass das Projektmanagement in der deutschen Filmbranche stark von den Hauptakteuren, den Rundfunkanstalten und Streaming-Diensten, beeinflusst wird. Mit einem Produktionsvolumen von ca. 1,6 Milliarden Euro dominieren ARD und ZDF den Markt, was eine enge Taktung und strikte Produktionssteuerung erforderlich macht. Die hohe Marktkonzentration und die Rolle von KI-gestützten Tools sind zentrale Komponenten, die zur Effizienzsteigerung in den Produktionsprozessen beitragen. Im Bereich der Vorproduktion wird künstliche Intelligenz beispielsweise für Drehbuchentwicklung und Storyboarding eingesetzt, was den Produktionsprozess verschlankt und präzisiert.
Böning betonte, dass die Einbindung von Technologie und Projektmanagement in der Filmbranche besonders in der Postproduktion greift. Hier kommen umfangreiche Visual Effects und Bearbeitungsprozesse zum Einsatz, die ein hohes Maß an technischer Detailarbeit erfordern und oft auch mit externen Schocks, wie schlechten Wetterbedingungen, umgehen müssen. Die Produktion großer Serien wie „Babylon Berlin“ zeigt, dass Massenaufnahmen häufig durch Technik simuliert werden – so reichen oft nur wenige Schauspieler vor einem Greenscreen, um eine große Menschenmenge darzustellen. Derartige Effizienzmaßnahmen spiegeln die Bedeutung eines technologisch gestützten Projektmanagements in der Branche wider.
Abschließend führte Böning aus, dass der besondere Tarifvertrag für Filmschaffende eine projektbasierte und flexible Arbeitsweise berücksichtigt. Mit Regelungen, die sich an den spezifischen Anforderungen der Branche orientieren, bietet der Vertrag eine rechtliche Basis, um die dynamischen Anforderungen der Filmproduktion zu meistern. Gerade in einer Branche, die auf Flexibilität angewiesen ist und durch häufige externe Einflüsse geprägt wird, schafft dieser Tarifvertrag den nötigen Rahmen, um eine gesunde Balance zwischen Budgetdisziplin und Anpassungsfähigkeit zu gewährleisten.
Michael Polle, erfahrener Produzent bei X Filme Creative Pool, brachte eine praxisnahe Perspektive auf die Herausforderungen des Projektmanagements in der Filmproduktion ein. Er beschrieb den kreativen Prozess der Stoffentwicklung, der oft chaotisch und schwer vorhersehbar ist. In dieser frühen Phase stehen die Produzenten vor der Herausforderung, aus einer Idee oder einer literarischen Vorlage ein Drehbuch und Storyboards zu entwickeln. Dieser kreative Prozess wird durch die hohe Abhängigkeit von Freelancern erschwert, die oft projektbasiert arbeiten und deren Verfügbarkeiten variieren. Diese Realität verlangt von Produzenten wie Polle eine dynamische Planung und flexible Anpassungsfähigkeit, die weit über die üblichen Projektmanagementmethoden hinausgehen.
In der Entwicklungsphase muss Polle als Produzent bereits finanzielle Risiken eingehen, was eine sorgfältige Kalkulation und Risikobewertung erfordert. Die Herausforderung besteht darin, die finanzielle Machbarkeit eines Projekts sicherzustellen und die notwendigen Finanzierungsquellen zu erschließen. Dies erfordert eine hohe Risikobereitschaft, da viele Projekte in dieser Phase aufgrund mangelnder Finanzierung oder kreativer Schwierigkeiten scheitern. Polle hob hervor, dass bei international ausgerichteten Projekten wie „Babylon Berlin“ häufig auch steuerliche Anreize und internationale Drehorte genutzt werden, um die Produktionskosten zu optimieren und das Risiko zu verteilen.
Während der eigentlichen Produktion greift das Projektmanagement besonders bei der strikten Kontrolle von Zeit- und Budgetvorgaben. Polle erläuterte, dass unvorhergesehene Ereignisse, wie Krankheiten von Hauptdarstellern oder Wetterbedingungen, Anpassungen und schnelles Handeln erfordern. Hier ist die Budgetkontrolle essenziell, da jeder zusätzliche Drehtag das Budget erheblich belastet. Die Phase der Produktion ist oft der kürzeste, aber intensivste Teil des Projekts, in dem es auf eine präzise Organisation und die Fähigkeit, unter Druck zu handeln, ankommt. Durch klare Strukturierung und Anpassung an unvorhersehbare Ereignisse trägt das Projektmanagement entscheidend zur Qualität und Einhaltung des Budgets bei.
In der Postproduktion betonte Polle, wie essenziell das Projektmanagement sei, um alle kreativen und technischen Elemente zusammenzubringen. Der Schnitt, die Vertonung und die Visual Effects erfordern eine detaillierte Planung und intensive Zusammenarbeit. Hier überprüfen die Produzenten auch, ob die Geschichte wie geplant funktioniert und passen sie gegebenenfalls an. Polle beschrieb den Prozess als eine Phase, in der das Projektmanagement besonders intensiv ist, um sicherzustellen, dass die Endversion den hohen künstlerischen und technischen Ansprüchen gerecht wird und die Zuschauer begeistert.
Nach den erfreulichen Rückmeldungen der Gäste laufen bereits die Vorbereitungen für den nächsten PM Salon, der im Kontext des Themas “Sport” stattfinden soll.