Der Hafen von Elsfleth zeigte sich am Freitagnachmittag von seiner schönsten Seite. Möwen zogen kreischend ihre Bahnen über der Weser, und die herbstlich gefärbten Bäume spiegelten sich im ruhigen Wasser. Zwischen den Backsteinfassaden der Hafengebäude lag die Großherzogin Elisabeth bereit zum Ablegen - ein majestätisches Segelschulschiff, das mit seinen Masten weit über den Hafen hinausragte und schon beim Einsteigen ein Gefühl von Abenteuer vermittelte.
Die Region Bremen und Oldenburg lebt seit Jahrhunderten von ihrer Nähe zum Meer. Hafenwirtschaft, Schiffbau und maritime Dienstleistungen prägen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Identität. Hier knüpfte die Regionalgruppe Bremen/Oldenburg der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. bewusst an: „Wir wollten Menschen das Thema Projektmanagement näherbringen, die vielleicht keinen direkten Bezug dazu haben. Und gleichzeitig unseren Mitgliedern etwas Besonderes bieten“, erklärte Irmtraud Behrens, Mitglied der Regionalleitung.
Damit wurden unterschiedliche Anspruchsgruppen gezielt berücksichtigt – ganz im Sinne des Projektmanagements: Externe Interessierte erhielten einen niedrigschwelligen Zugang zum Thema, die GPM-Mitglieder profitierten von exklusiven Netzwerkmöglichkeiten, und die Region Bremen/Oldenburg war Schauplatz einer besonderen Veranstaltung, die an die maritime Tradition anknüpft. Genau dieses bewusste Einbeziehen verschiedener Perspektiven ist ein Kern des so genannten „Stakeholder-Managements“ – ein Ansatz, der für erfolgreiche Projekte unverzichtbar ist.
Die Großherzogin Elisabeth wurde 1909 als Frachtsegelschoner gebaut, ist 63,70 Meter lang, trägt 800 Quadratmeter Segelfläche und erreicht mit 33 Metern Masthöhe noch immer eine beeindruckende Präsenz. Heute dient sie als Segelschulschiff, ihr Heimathafen ist Elsfleth an der Weser. Für die rund 50 Teilnehmenden bot sie den idealen Rahmen, um Parallelen zwischen Schifffahrt und Projektmanagement aufzuzeigen: Meilensteine auf See und im Projekt, Leuchttürme als Orientierungspunkte, nicht zuletzt das Risikomanagement sowie die Navigation als Projektsteuerung: „Ich ärgere mich immer, dass wir in Projekten von Controlling sprechen. Eigentlich müsste es Navigation heißen, denn der Navigator bringt uns sicher zum Ziel“, betonte Dr. Thor Möller, Sprecher der Regionalleitung, in seiner Begrüßung. Seine Worte unterstrichen, dass Projektmanagement nicht nur Zahlen und Pläne bedeutet, sondern Orientierung und Teamführung.
Kaum ein Bereich zeigt so deutlich wie die Schifffahrt, dass präzises Projektmanagement über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Erstens erfordern Schiffsneubauten und Modernisierungen eine enge Koordination zwischen Werften, Zulieferern und Klassifikationsgesellschaften – Zeit- und Kostenpläne müssen hier strikt eingehalten werden, um Verzögerungen in Millionenhöhe zu vermeiden. Zweitens ist die Logistik in Häfen hochgradig projektorientiert: An- und Auslaufen, Ladungssicherung und Zollformalitäten müssen minutiös abgestimmt sein, damit Warenströme reibungslos funktionieren. Drittens hängt auch die Sicherheit auf See von Projektmanagement ab – sei es bei der Routenplanung, bei Notfallübungen oder bei der Zusammenarbeit internationaler Crews, die auf engem Raum klare Rollen und Abläufe benötigen.
Die Teilnehmenden kamen nicht nur aus Bremen und Oldenburg, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet. „Es waren Menschen an Bord, die sich vernetzen wollen, die mehr herausfinden möchten über Methoden und wie andere arbeiten. Manche überlegen vielleicht auch, sich beruflich umzuorientieren, und knüpfen in einem solchen Rahmen neue Kontakte“, sagte Ingo-Martin Liedke, ebenfalls Mitglied der Regionalleitung. Rund die Hälfte der Gäste waren GPM-Mitglieder, die andere Hälfte Projektmanagement-Fachleute ohne Mitgliedschaft – eine Durchmischung, die für lebhafte Diskussionen sorgte.
Nach einer Einführung in die Geschichte und Sanierung des Schiffs ging es in Kleingruppen an praktische Aufgaben. Etwa beim Thema Konfliktmanagement, wo die Enge an Bord als Beispiel diente: Wie lassen sich Spannungen lösen, wenn man sich nicht aus dem Weg gehen kann? Kommunikation, Moderation und gegenseitiges Verständnis standen hier im Fokus – Prinzipien, die ebenso auf Projekte wie auf das Leben an Bord übertragbar sind. Auch beim anschließenden Netzwerken diente das Schiff als anschauliche Metapher. „An Bord ist für jeden klar geregelt, wer welche Rolle übernimmt und welche Verantwortung trägt. Dieses Verständnis könnten sich auch Projektteams zunutze machen“, erklärte Isabell Vettin, Mitglied des Organisationsteams. So werde deutlich, dass gute Zusammenarbeit nicht allein von Hierarchien, sondern vor allem von Vertrauen und klarer Kommunikation abhängt.
Zwischen den Arbeitsphasen blieb viel Zeit für Gespräche. Kaffee und Kuchen am Nachmittag, ein gemeinsames Abendessen und freie Zeit an Deck förderten Austausch und neue Kontakte. Gerade in einer Zeit, in der viele berufliche Begegnungen in Videokonferenzen stattfinden, war der persönliche Kontakt auf See ein Gewinn. „Es geht um das Netzwerken, darum, voneinander zu lernen und Methoden auszutauschen. Dafür bietet so ein Segeltörn den perfekten Rahmen“, so Liedke. Auch GPM Präsident Prof. Dr. Peter Thuy betonte in seinem Grußwort die Bedeutung der Begegnung: „Ich wünsche Ihnen allen viel Freude beim Netzwerken und beim fachlichen Austausch. Bremen ist die letzte Station meiner Sommertour und somit auch ein gelungener Projektabschluss für mich.“
Neben Workshops und Diskussionen blieb genügend Zeit, das Schiff zu erkunden: vom Steuerstand bis in die Masten, begleitet von fachkundigen Erklärungen der Crew. Das gemeinsame Erlebnis, die Weser hinab Richtung Bremerhaven zu segeln, schuf eine besondere Atmosphäre. Am Abend drehte die Großherzogin Elisabeth bei Nordenham und nahm in der untergehenden Sonne Kurs zurück. Die Weser lag ruhig in der Dunkelheit, als das Schiff nahezu lautlos zurück in den Heimathafen Elsfleth glitt, wo es gegen 22 Uhr wieder festmachte. Doch auch nach dem Landgang klang der Tag nicht sofort aus: Viele kleine Gruppen standen noch lange im Hafen zusammen, vertieft in Gespräche, lachten, tauschten Adressen und Ideen – und vielleicht auch gemeinsame Projekte.