Jenseits der Algorithmen: Die Zukunft des Projektmanagements hat mehr zu bieten als „nur“ KI

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Jenseits der Algorithmen: Die Zukunft des Projektmanagements hat mehr zu bieten als „nur“ KI

Obwohl die Diskussionen beim 34. IPMA World Congress in Berlin stark von Künstlicher Intelligenz geprägt waren, zeigte das Programm zugleich eine breite Vielfalt anderer Themen.

Zwischen Panels über Automatisierung und Algorithmen wurde deutlich: Projektmanagement steht nicht nur vor technischen, sondern vor tiefgreifenden menschlichen, organisatorischen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Nachhaltigkeit, Vertrauen in globalen Teams, die Transformation von PMOs oder die Professionalisierung durch neue Methoden und Standards – diese Fragen bestimmten ebenfalls die Agenda und machten klar, dass die Zukunft der Disziplin weit über den Einsatz von KI hinausgeht.

Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit als Leitplanken

Projekte gelten zunehmend als Hebel, um wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel nachhaltig zu gestalten. Nachhaltigkeit wird dabei nicht länger als reine Imagepflege verstanden, sondern als Grundvoraussetzung für Resilienz und langfristigen Erfolg. Fachleute forderten, ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) verbindlich in das Project Portfolio Management aufzunehmen. So können Projekte gezielt ausgewählt und gemessen werden – nicht nur nach wirtschaftlichen, sondern auch nach ökologischen und sozialen Kriterien. Unterstützt wird dieser Ansatz durch Modelle wie P-O-O-V-I (Purpose, Outputs, Outcomes, Value, Impact), die den Nutzen von Projekten in einer breiteren Perspektive erfassen. Besonders die Generation Z betont diesen Anspruch: Sie sucht berufliche Aufgaben, die Sinn stiften, und achtet dabei verstärkt auf Nachhaltigkeit und Werteorientierung.

Neue Wege im Umgang mit Komplexität

Die Realität vieler Organisationen ist zunehmend komplex und unsicher. Umso wichtiger wird ein klarer methodischer Rahmen. Erfahrungswerte spielen dabei eine entscheidende Rolle, da Projektmanager mit Berufserfahrung fundierter entscheiden können, welche Methodik im jeweiligen Kontext funktioniert. Besonders riskant ist das sogenannte „Laissez-faire Project Management“, bei dem Methoden beliebig kombiniert werden: Laut Untersuchungen sinkt die Erfolgsquote solcher Projekte um bis zu 40 Prozent. Stattdessen gewinnt der Ansatz „Benefits First“ an Bedeutung. Projekte sollen mit Blick auf das gewünschte Ergebnis geplant werden. „Start with the End in Mind“ lautet die Devise – mit Fokus auf schnellen Nutzen und messbaren Ergebnissen. Auch Lean-Prinzipien im Bauwesen oder der Systems-Thinking-Ansatz in regulierten Branchen wie der Luftfahrt zeigen, wie Effizienzsteigerung und klare Abläufe operative Stabilität sichern können.

Führung im Zeichen von Vertrauen und Vielfalt

Mit global verteilten und hybriden Teams verändert sich das Verständnis von Führung grundlegend. Statt zentraler Kontrolle stehen Vertrauen, Kommunikation und geteilte Verantwortung im Mittelpunkt. Projektmanager werden künftig stärker als „Navigatoren“ agieren, die Orientierung geben, anstatt alles selbst zu steuern. Vertrauen gilt dabei als Schlüsselfaktor – insbesondere in virtuellen Teams, in denen Nähe nicht selbstverständlich ist. Hier helfen klare Kommunikationspläne und eine gemeinsame Vision, die durch Instrumente wie eine „Vision Map“ sichtbar gemacht wird. Auch kulturelle Unterschiede müssen stärker berücksichtigt werden: Während in Deutschland Informationsaustausch im Vordergrund steht, verstehen französische Teams Diskussionen oft als Debatte. Wer hier keine Sensibilität zeigt, riskiert Missverständnisse. Die Botschaft der Experten: Interkulturelle Kompetenz ist keine Option mehr, sondern Pflicht.

PMOs als strategische Schaltstellen

Das Project Management Office (PMO) steht vor einem Paradigmenwechsel. Längst geht es nicht mehr nur um administrative Unterstützung, sondern um eine strategische Rolle als Partner der Unternehmensführung. Moderne PMOs konzentrieren sich auf die Dimensionen Projekte, Methoden und Outcomes. Ziel ist es, Organisationen dabei zu unterstützen, die richtigen Projekte auszuwählen und diese erfolgreich umzusetzen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Arbeit mit Lenkungsausschüssen, die durch Standards, Risikomonitoring und Beratung gezielt gestärkt werden sollen. Zudem gewinnen einfache und leicht verständliche Methoden an Bedeutung, die ohne komplexe Anpassungen auskommen. Im Bausektor wird parallel das Construction Management als dritte Säule neben Planung und Ausführung etabliert – ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung.

Digitalisierung und professionelle Datenkommunikation

Die Digitalisierung prägt nicht nur Abläufe, sondern auch die Art, wie in Projekten kommuniziert wird. Frühzeitige, wissenschaftlich fundierte Entscheidungen gelten als entscheidender Erfolgsfaktor, insbesondere in der Konzept- und Machbarkeitsphase internationaler Projekte. Digitale Werkzeuge wie Building Information Management (BIM) oder 3D-Modelle sorgen für präzisere Planung und vermeiden Konflikte zwischen Gewerken. Gleichzeitig wächst die Bedeutung einer neuen Form der Datenvermittlung. Statt überladener Präsentationen oder Berichte setzen Experten auf Data Storytelling: Daten sollen nicht nur korrekt, sondern verständlich und motivierend vermittelt werden. Nur so lassen sich Erkenntnisse in konkrete Entscheidungen und Handlungen übersetzen.

Der 34. IPMA World Congress zeigte also, dass die Zukunft des Projektmanagements weit über technische Trends hinausgeht. Nachhaltigkeit, Vertrauen, klare Methoden, die Transformation von PMOs und eine professionelle Datenkultur sind die zentralen Baustellen der kommenden Jahre. Wer Projekte erfolgreich steuern will, braucht nicht nur Tools und Prozesse, sondern vor allem Haltung, Erfahrung und Sinnorientierung.

Ansprechpartner

Sebastian Wieschowski