Das schönste Organigramm hilft nicht: Warum Projektmanagement in Behörden scheitern kann - und was dagegen zu tun ist

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Das schönste Organigramm hilft nicht: Warum Projektmanagement in Behörden scheitern kann - und was dagegen zu tun ist

René Herzel über Kultur, Kompetenz und die unterschätzte Rolle von Haltung in der Projektarbeit.

Als René Herzel, Leiter Finanzen & Controlling der Hamburger HOCHBAHN U5 Projekt GmbH, beim diesjährigen 11. „Zukunftskongress Staat & Verwaltung“ in Berlin im Best-Practice-Dialog vom alltäglichen Projektmanagement sprach, war von Software, Methoden oder Gantt-Diagrammen keine Rede. Stattdessen erzählte er von einer Behörde, die zwar neue Projekte starten wollte - aber niemand wusste, wer dafür überhaupt geeignet war. Die Personalakten? Voller Zertifikate und Qualifikationen, aber ohne Bezug zur Praxis. Der Satz, den er dann sagte, blieb hängen: „Wenn da keiner ist, der’s kann - dann hilft die schönste Matrix nichts.“ 

Herzel, erfahrener Projektmanager mit über 20 Jahren Berufspraxis, lieferte beim Zukunftskongress Staat & Verwaltung unter dem Titel „MATRIX- REVOLUTIONS: Trotz Fachkräftemangel Projekte stabil und nachhaltig organisieren“ einen ungeschönten Einblick in die Realitäten der öffentlichen Projektarbeit - und zeigte, was sich ändern muss. 

Projektmanagement ist Persönlichkeits- und Haltungssache 

Herzel stellt klar: Projektmanagement ist keine Frage von Methodenwissen, sondern von Haltung und Fähigkeit. Es braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen, die in Krisen den Überblick behalten und auch dann handeln, wenn etwas nicht in ihrer Stellenbeschreibung steht. Diese „Gabe des Organisierens“ sei nicht flächendeckend vorhanden - und noch weniger sichtbar gemacht. 

Gerade im öffentlichen Dienst sei es üblich, Kompetenzen ausschließlich auf dem Papier zu bewerten. Zertifikate verstauben in Personalakten, aktuelle Fähigkeiten sind selten erfasst. Herzel fordert ein Umdenken: Projektleitungsfähigkeiten müssen systematisch erkannt und genutzt werden - nicht zufällig oder im Ausnahmefall. 

Die Matrix ist nur so stark wie ihre Akteure 

Matrixorganisationen gelten als moderne Antwort auf komplexe Verwaltungsstrukturen. Doch in der Praxis, so Herzel, scheitern sie häufig an klaren Rollenkonflikten. Linienvorgesetzte mischen sich in Projektentscheidungen ein, obwohl sie formal nichts damit zu tun haben. Die Folge: Projektteams geraten unter Druck, Entscheidungswege werden diffus, Verantwortungen verwässern. 

Herzel plädiert für klare Spielregeln und Beteiligungsformate: Wer mitreden will, darf das - aber nur in eigens dafür eingerichteten Review-Formaten. Gleichzeitig müsse transparent kommuniziert werden, wer im Projekt wirklich das Sagen hat - und wer nicht. Führungskräfte müssten lernen, zwischen Projekt- und Linienrolle zu wechseln, ohne beides zu vermischen. 

Motivation braucht Karriereperspektiven - und Mut zu Differenzierung 

Ein Projekt kann noch so spannend sein - wenn niemand Verantwortung übernehmen will, bleibt es auf der Strecke. Herzel sieht darin ein strukturelles Problem: Im öffentlichen Dienst fehlen attraktive Entwicklungspfade für Projektarbeit. Wer Projektleitung übernimmt, erhält selten Anerkennung - weder ideell noch finanziell. 

Dabei gäbe es längst tarifliche Spielräume, etwa für temporäre Zulagen. Doch vielerorts herrsche Vorsicht: Man wolle niemanden „besserstellen“. Herzel hält dagegen: „Wenn es um solche Aufgaben und die Übernahme von zusätzlicher sowie bedeutsamer Verantwortung geht, muss ich auch eine Art Belohnung geschaffen werden.“ Projektarbeit dürfe kein Karrierehindernis sein - sondern müsse als gleichwertiger Entwicklungspfad neben der klassischen Linienlaufbahn etabliert werden. 

Sichtbarkeit schafft Struktur - auch für Projektarbeit 

Ein Problem vieler Verwaltungen: Projekte werden zwar aufgesetzt, aber nicht als struktureller Teil der Organisation sichtbar gemacht. In klassischen Organigrammen fehlt jede Spur projektbezogener Verantwortlichkeiten. Herzel schlägt vor, dies durch ergänzende Darstellungen zu ändern - etwa durch projektbezogene Einträge in Organigrammen oder über temporäre PMOs. 

Auch intern müsse Projektarbeit stärker institutionalisiert werden: Wer macht gerade was, wer ist wo eingebunden, und welche Projekte laufen überhaupt? Kleine Stabsstellen oder Koordinierungseinheiten könnten helfen, Transparenz zu schaffen - und der Projektarbeit auch organisatorisch den Stellenwert zu geben, den sie verdient. 

Veränderung beginnt im Kleinen - braucht aber langen Atem 

Der Wandel hin zu einer professionellen Projektkultur gelingt nicht über Nacht. Herzel berichtet von Mikrotrainings mit seinen Teams: Jede*r Mitarbeitende übernahm reihum ein kleines Projektthema und stellte es beim Teammeeting vor. So konnte Wissen schrittweise verbreitert und das Niveau angeglichen werden - selbst in heterogenen Teams mit großem Reifegefälle. 

Veränderung sei möglich, sagt Herzel - aber sie brauche Geduld, Überzeugungskraft und viele kleine Schritte. Besonders dort, wo Projektprofis auf Mitarbeitende treffen, die seit Jahrzehnten im System sind. Diese Art von „Culture Clash“ sei nicht ungewöhnlich - aber überwindbar, wenn man mit Ausdauer und Augenmaß vorgeht. 

Vernetzen statt verzweifeln: Die Rolle der GPM 

Am Ende des Vortrags wurde deutlich, dass Projektmanagement im öffentlichen Dienst weit mehr ist als ein technisches Thema. Es geht um Kultur, Struktur - und nicht zuletzt um Vernetzung. Herzel verwies auf die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V., die mit Fachgruppen, Zertifizierungen und politischen Dialogformaten wichtige Impulse setzt. 

Gerade für Verwaltungen bietet die GPM eine Plattform, um voneinander zu lernen, Praxisbeispiele auszutauschen und gemeinsam neue Wege zu gehen. Denn eines wurde im Vortrag klar: Die Herausforderungen im Projektmanagement sind komplex - aber lösbar, wenn man sie gemeinsam angeht. 

Ansprechpartner

Sebastian Wieschowski