Für die meisten Bochumer ist die Entwicklung des einstigen Opel-Werkes im Stadtteil Laer zu einem Campus für Industrie, Technologie und Wissen wohl kaum der Rede wert – immerhin haben die Menschen an der Ruhr schon einen Strukturwandel gemeistert, die Autofabrik war auf einem früherem Bergbaugelände errichtet worden. Für Projektmanagement-Profis ist das Projekt „Mark 51°7“ jedoch ein Leuchtturm-Beispiel für eine gelungene Antwort auf den Strukturwandel.
Am 6. September sind deshalb Entscheider aus Unternehmen und Projektverantwortliche in Bochum zusammengekommen, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie der Strukturwandel auch künftig gelingen kann und vor welchen Herausforderungen das Projektmanagement steht. Veranstaltet wurde der PM-Summit Rhein-Ruhr von den GPM Regionen Dortmund/Ruhrgebiet, Siegen/Lippstadt und Düsseldorf/Rhein-Ruhr. Die GPM bildet ein weitreichendes Netzwerk für Projektmanagement-Expertinnen und -Experten aus allen Bereichen der Wirtschaft, der Hochschulen und der öffentlichen Institutionen.
In seiner Begrüßung machte Prof. Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V., deutlich, dass Projektmanagement einen bedeutenden Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels leisten kann. Der strukturelle Wandel sei ein unvermeidbarer Begleiter der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und erfordere eine sorgfältige Planung und Umsetzung. „Projektmanagement spielt eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Bewältigung dieses Wandels auf volkswirtschaftlicher Ebene“, betonte Thuy. Die Kombination von Systematik, Risikomanagement und effektivem Stakeholder-Management sei essenziell. Gelinge die Anwendung von Projektmanagement-Methoden im strukturellen Wandel, erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit von dessen Gelingen, so Thuy.
Der Wirtschaftswissenschaftler ging in seinem Vortrag auf die angebots- und nachfrageseitigen Ursachen und Treiber des strukturellen Wandels ein. „Die Welt um uns herum wird sich aufgrund des demografischen Wandels, technologischer Innovationen, der Globalisierung, des Klimawandels und Nachhaltigkeit schnell verändern. Jetzt gilt es, die Zeit für Gestaltungsspielräume zu nutzen.“, resümierte Thuy.
Diese Erfahrung haben auch die Bochumer gemacht, als vor fast genau zehn Jahren, im Dezember 2014, in Bochum nach mehr als einem halben Jahrhundert der letzte Opel vom Band rollte. Was tun mit einer Brachfläche von fast 70 Hektar, wenn der größte Arbeitgeber der Stadt verschwindet? Immerhin galt das Opel-Werk in Bochum als Vorzeigeprojekt des Strukturwandels an der Ruhr, als im Revier das Zechensterben begann. Nun also ein erneuter Strukturwandel – kann das gutgehen? Dazu kommt, dass dem Ruhrgebiet auch in der öffentlichen Debatte zunehmend keine Überlebenschance eingeräumt wurde. Beim Länderfinanzausgleich wurde NRW mit seinen im Strukturwandel befindlichen Gebieten als Bittsteller gesehen. Doch dies hat sich gewandelt. Der Strukturwandel zeigt viele positive Entwicklungen und scheint zunehmend attraktiv für Wirtschaft, Forschung, Innovation und Lebensqualität zu sein – und die Stadt Bochum hat auf dem ehemaligen Opel-Gelände eine neue Perspektive geschaffen. Mit 10.000 neuen Arbeitsplätzen sollen hier schon bald dreimal so viele Menschen arbeiten, forschen und entwickeln wie zuletzt an gleicher Stelle beim Autobauer Opel.
Am Best-Practice-Beispiel des ehemaligen Opel-Werks in Bochum erfuhren die rund 80 Teilnehmenden der Konferenz mehr über die Projektentwicklung des Innovationsquartiers – von der Initialisierung und Konzeptionierung bis zur erfolgreichen Realisierung. Dominik Kluba, Referent für Strategieprojekte im Büro des Oberbürgermeisters der Stadt Bochum, und Denise Wäscher, Referentin der Geschäftsführung und Prokuristin bei der Bochum Perspektive GmbH, beschrieben in ihrer Keynote „Zukunft gestalten: Innovative Stadtentwicklung durch die Bochum Strategie“ eindrucksvoll, mit welchen Lösungsansätzen sie den Herausforderungen begegnet sind.
So hätten die politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen schnell entschieden, dass dieses Projekt eine professionelle Struktur brauche und eine eindeutige Positionierung nach außen. Die Anbindung des Referenten für Strategieprojekte an das Büro des Oberbürgermeisters und der Aufbau der Bochum Perspektive GmbH waren entscheidende Erfolgsfaktoren für die weiteren Umsetzungsschritte. Das Ziel: Bochum positiv zu entwickeln und alle Beteiligten mit der Marke „Mark 51°7“ zu identifizieren. So sei bei Bekanntwerden von Herausforderungen ein frühzeitiger Beginn der Planung und eine Abstimmung mit allen Stakeholdern entscheidend gewesen – dabei nahm die Anwohnerbeteiligung eine Schlüsselrolle ein.
In einem ersten Schritt des Projektmanagements wurden Arbeitspakete geschnürt, aus denen sich dann frühzeitig ein Vermarktungskonzept der Gesamtfläche definieren ließ. Wie bei Multiprojektmanagement üblich, wurde trotz notwendiger Stringenz eine vertretbare Flexibilität im Flächenkonzept gezeigt, um auf veränderte Anforderungen und Bedingungen reagieren zu können, ohne dabei die übergeordneten Ziele des Projekts aus den Augen zu verlieren. Zudem berichteten die Referenten von den ergebnisoffenen Verhandlungen mit den Investoren. So seien Ideen eingeflossen, die zuvor überhaupt noch nicht im Fokus waren. Ein entscheidender Vorteil war die Rückendeckung durch die Politik und Kommunalverantwortlichen für die Mitarbeitenden im Projekt.
Bei einem so großen und prominenten Projekt bestehen besondere Anforderungen an Transparenz, Fairness und Effizienz – aus diesem Grund stand von Beginn an fest, dass für die Vergabeprozesse ausgewiesene Profis gesucht werden müssen. Die gleichen Voraussetzungen gelten auch für das Fördermittelmanagement. Die Komplexität des Projektes war so hoch, dass es eine besondere Herausforderung darstellte, den Gesamtüberblick nicht zu verlieren. Die Anforderungen an das Projektmanagement: Flexibilität so viel wie nötig, Risikomanagement zu jederzeit und Budgetreserven, möglichst geringer Verwaltungsaufwand und das notwendige Know-how für eine erfolgreiche Abwicklung gewährleisten.
Die Vertreter der Stadt Bochum betonten, dass die Zusammenarbeit mit der Politik, der Stadtverwaltung und den kommunalen Beteiligungen entscheidend war, um die notwendige Unterstützung und Genehmigungen für das Projekt zu erhalten. Hierfür seien ausreichende Zeitressourcen einzuplanen – denn Projekte sind keine Selbstläufer und Anwohner haben andere Erwartungen als Vertreter von Land und Bund. Wichtig ist, dass die Akteure sich informiert und angemessen eingebunden fühlen.
Das Zwischenfazit zum Strukturwandel in Bochum fällt positiv aus: Ein Großteil der Grundstücke ist verkauft oder reserviert. Dank innovativer Projektideen konnte die Umweltbelastung beim Rückbau des Geländes geringgehalten werden. Die Lebensqualität wurde deutlich verbessert. Die umfänglich versiegelten Flächen hat man auf ein Minimum reduziert und naturnahe Räume geschaffen.
So strahlt das Strukturwandel-Projekt weit über die Stadtgrenzen von Bochum hinaus. Die drei beteiligten GPM Regionen liegen alle in starken Wirtschaftsräumen. Gemeinsam sind dem Rheinland, dem Ruhrgebiet und Südwestfalen, dass sie sich seit Jahren in einem tiefgreifenden Strukturwandel befinden und mittlerweile deutliche Fortschritte bei der Umsetzung verzeichnen. Aus diesem Grund hatten sich die drei Regionalgruppen für das gemeinsame Tagungsthema entschieden und wollten der adäquaten Anwendung von PM-Methoden und den begleitenden Kernkompetenzen auf den Grund gehen – denn der Strukturwandel stellt auch das Projektmanagement vor neue Herausforderungen.
Den knapp 80 Teilnehmenden wurde durch das 1. PM Summit Rhein-Ruhr ein kompaktes Wissen und kollegialen Austausch in ansprechender Umgebung geboten. Insgesamt acht Sessions zu Themen wie Künstliche Intelligenz, IT-Security, Führungskompetenz und Nachhaltigkeit haben praxisnahe Impulse und Wissen verbunden. Teilnehmende wurden nicht nur durch Informationsaustausch aktiviert, sondern durch Motivation auch in Transferprozesse, Diskussionen und Think Tanks integriert. Hier hat ein Austausch innerhalb der größten PM-Community in NRW stattgefunden.
Begleitet wurde die Veranstaltung von einer Ausstellung über die Geschichte des ehemaligen Zechengeländes und der Opelwerke, sowie der Zukunftsinitiative „Klima.Werk – für eine blau grüne Zukunft“. Den Abschluss bildete eine Exkursion ins benachbarte DHL-Frachtzentrum, welche selbst für praxiserfahrene Projektexperten sehr beeindruckend war und eine Gesprächsrunde auf dem grünen Sofa mit dem Sternekoch Alexander Dressel, Potsdam. Eindrucksvoll seine Berichte zur Bewirtung von Mitgliedern europäischer Königshäuser bzw. Spitzenkräften der deutschen Politik. Moderiert wurde der Tag von Carsten Köchel, ehemaliger Vorstand des Bochumer Marketingclubs. Unterstützung gab es von den PM-Expertinnen, der Young Crew und den Trainern, die den umfangreichen Fort- und Weiterbildungsbereich abdecken.